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1284 – 1479

St. Goarshausen unter den Katzenelnbogenern 1284 – 1479

Die Geschichte der Grafen von Katzenelnbogen fällt in ihren Anfängen in die Blütezeit des rheinischen Rittertums, als auf den Höhen sich trutzige Burgen aufreckten und die gepanzerten Ritter auf stahlbewehrten Rossen hinauszogen, sei es zur blutigen Fehde, sei es zum fröhlichen Turnier, während das Volk als Leibeigene zu Frondiensten und Abgaben verurteilt war. Es darf indessen den Grafen von Katzenelnbogen nachgerühmt werden, daß sie nicht nur tatenmutige, streitbare Männer, sondern auch auf den Schutz und das Wohl ihrer Untertanen nach Kräften bedacht waren. Und das war für eine Zeit, da der Fürst alles und das Volk nichts war, sehr viel.
Eine der glänzesten Gestalten in der Reihe der Katzenelnbogener Herrscher war Graf Diether III., der von 1245 bis 1276 regierte. Als Erbauer der Burg Rheinfels (1245), der alten Wacht am Rhein, ist sein Name mit der ruhmreichen Geschichte dieser Feste für immer verknüpft. Wie stark diese von Anfang an war, geht aus
der siegreichen Abwehr hervor, mit der sich die jungfräuliche Burg schon 10 Jahre später (1255) gegen den mächtigen Rheinischen Städtebund verteidigte, der nach einer Belagerung von einem Jahr und 14 Wochen unverrichteter Sache wieder abziehen mußte.
Diether herrschte, ebenso wie die meisten seiner Nachfolger, auf Rheinfels und legte damit den Grund zu dem Aufblühen von St. Goar, was nicht zuletzt auch St. Goarshausen zugute kam. Seine kräftige Hand schützte die Heimat vor mancherlei Unbill. Es war “die kaiserlose, die schreckliche Zeit“, das Interregnum genannt. Im deutschen Reich ging es drunter und drüber. Dem Schattenkönig Wilhelm von Holland, dem er seine Unterstützung lieh, konnte er zwar die Krone nicht sichern, heimste aber von ihm gegen klingende Münze mancherlei Rechte ein, wozu als wichtigstes der viel umstrittene Rheinzoll gehörte. Der alternde Graf hatte die Genugtuung, im Jahre 1273 der Krönung Kaiser Rudolfs von Habsburg in Aachen beizuwohnen, der endlich die Ordnung im Lande wieder herstellte.

In der Geschichte lebt Graf Diether III. als Ritter und Staatsmann von großem Zuschnitt, dessen Rat und Hilfe kein König verschmähte. Daß er zugleich als Freund und Beschützer der Sanges- und Dichtkunst erscheint, läßt sein Bild für die damalige wilde Zeit in doppelt erfreulichem Lichte erscheinen. An dem glänzenden Hof, den er führte und der ihm den Beinamen „der Reiche“ einbrachte, soll unter anderen auch der berühmte Minnesänger Walther von der Vogelweide verkehrt haben, der ihn in einem seiner Lieder als den vortrefflichen „Bogener“ preist.

Diether starb 1276 und wurde im Dom zu Mainz beigesetzt. Für seine unmündigen Kinder führte vorläufig sein Bruder Eberhard I. die Regierung. Diethers Nachfolger wurde dann sein Sohn Graf Wilhelm I. ( 1295 – 1331), ein kluger, tatkräftiger und unternehmungslustiger Herrscher, dem das Land große Fortschritte verdankte. Für die Geschichte St. Goarshausen ist sein Name von besonderer Bedeutung. Er war es, der, wie breits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, dem Haus Katzenelnbogen durch seine Heirat mit Irmingard von Isenburg im Jahre 1284 St. Goarshausen mit Patersberg, Offenthal und Bornich zubrachte. Aber die Erwerbung allein genügte ihm nicht. Die Hebung des Ortes lag ihm am Herzen. Es gelang ihm, Kaiser Ludwig den Bayer zu veranlassen, diesem kleinen bescheidenen Gemeinwesen mit Urkunde vom 18. Januar 1324 Stadtrechte zu verleihen. Das Urbild jener Urkunde liegt im Staatsarchiv zu Marburg an der Lahn, ist aber leider so vermodert, daß kaum noch einige Worte entziffert werden können. Es ist dies umsomehr zu beklagen, als es eines der ältesten und wichtigsten Beweisstücke aus der Geschichte unserer Stadt ist. Wir wissen nur aus einem Auszug, den ein späterer Forscher aus der Urkunde gemacht hat, daß Kaiser Ludwig das Dorf “Hausen“ – so hieß es damals noch – in seinen Schutz und Schirm genommen und seine Erhebung zur Stadt genehmigt hat.

Wenn man bedenkt, daß St. Goarshausen damals kaum 2oo Einwohner und weder Mauer noch Burg hatte (die Katz wurde erst 1393 erbaut)‚ also äußerlich noch nackt und kahl war, so könnte man leicht versucht sein, über die “Stadterhebung“ zu lächeln. Denn diese Vergünstigung brachte die Rechte und Freiheiten einer großen Reichsstadt wie Frankfurt a.M. mit sich. Sie berechtigte nicht nur zur Errichtung einer steinernen Ringmauer mit Wehrgängen, Schanzen und Türmen, sowie zur Abhaltung eines Wochenmarktes, sondern verlieh auch dem bisher ländlichen Ort eine eigene Gerichtsstelle und das Recht der eigenen Verwaltung durch Gemeinderat und Schöffen.

Wir dürfen aber nicht etwa den frommen Gedanken hegen, als hätte Graf Wilhelm das alles aus reiner Liebe zu dem Fischerdörfchen “Hausen“ oder zu seinem guten Wein getan. Dafür war er ein zu kluger Politiker. Maßgebend für ihn war ohne Zweifel die Tatsache, daß St. Goarshausen als Ausgangspunkt zweier Täler und als Überfahrtstelle für seine Residenz eine gewisse strategische Bedeutung habe. Vor allem aber dürfte er den Schutz des Rheinzolles im Auge gehabt haben, zu dessen Handhabung zwischen St. Goarshausen und St. Goar eine eiserne Kette über den Rhein gespannt war, die sofort in Tätigkeit trat, wenn ein Schiff den Versuch machte, sich von der Zollzahlung zu drücken. In späteren Urkunden werden die Zollgefälle von St. Goar und “Hausen“ häufig von deutschen Kaisern, oder auch von den Landgrafen selber, an Gläubiger verpfändet, woraus hervorgeht, daß in St. Goarshausen eine zeitlang eine Hilfszollstätte bestanden hat.

So heißt es in dem “Rheinischen Antiquarius“ vom Jahre 1744:
“Viel gedachtes St. Goarshausen oder Gewerrshausen, auch Hausen genannt, das ehemals Hausenthal geheißen hat, lateinisch “Husnia“, liegt eine Stunde von Oberwesel, ist zwar nur ein hessischer Flecken, hat aber einen starken Rheinzoll, so von sämtlichen Waren, welche allda auf dem Rhein vorüber fahren, mußt entrichtet werden. Dieser Flecken oder “Städtgen“, wie einige wollen, ist mit einer starken Mauer umgeben und mit einem stattlichen Turm geziert.“

Später scheint der Zoll aber nur noch in St. Goar erhoben worden zu sein. Jedenfalls konnte St. Goarshausen im 14. Jahrhundert als ungeschütztes Dorf keine genügende Sicherheit gegen feindliche Überfälle bieten. Diese konnte ihm nur eine feste Mauer und eine schützende Burg geben, abgesehen davon, daß dem offen am Strom liegenden Ort ein Schutz gegen Hochwasser und Eisgefahr dringend nottat. Zur Erbauung der Burg kam Graf Wilhelm allerdings nicht, Sie blieb einem späteren Regenten, dem Grafen Johann III., vorbehalten.

Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß mit dem gleichen Dokument, das St. Goarshausen zur Stadt erhob, auch das benachbarte Reichenberg Stadtrechte erhielt. Wunsch und Absicht Graf Wilhelms war, aus dem Dörfchen Reichenberg, dessen Burg er nach ihrer Zerstörung in glänzender und baulich besonders fesselnder Gestaltung wieder aufgebaut hatte, eine Stadt zu machen, eine Amtsstadt, vielleicht gar eine Weltstadt. Aber Städtegründungen sind keine Rechenaufgabe. Es heißt, weislich erwägen, ob die gebietsmäßigen und wirtschaftlichen Grundlagen dafür vorhanden sind. Sein Wunsch hat sich denn auch nicht erfüllt. Reichenberg ist keine Weltstadt geworden, wogegen St. Goarshausen, dank seiner natürlichen Gegebenheit, einer aufsteigenden Entwicklung entgegenging. Geblieben war nur der Reichenberger Amtssitz, dem auch St. Goarshausen unterstand, und zwar bis in die Napoleonische Zeit hinein.

Mehr Glück hatte der Graf mit der Stadtgründung Darmstadts, das im Jahre 133o noch ein elendes Dorf war. Die Katzenelnbogener schlugen dort in der Folge häufig Ihren Wohnsitz auf.

Der rührige Landesfürst starb 1331 und wurde im Kloster Eberbach, dem Erbbegräbnis der Grafen von Katzenelnbogen, beigesetzt, wo heute noch deren prächtige Grabsteinmale zu sehen sind.

Ihm folgte in der Regierung sein noch jugendlicher Sohn Wilhelm II. (1331-1385). Dieser erbte den gesamten Besitz, der teils aus Eigentum, teils aus Lehnsgut bestand. (Lehen nannte man die erbliche Überlassung von Grundstücken, Burgen, Orten und sonstigen Nutzwerten gegen gewisse persönliche Pflichten und ohne das Recht der Veräußerung an andere).
Als tatkräftiger, in allen ritterlichen Künsten erfahrener, diplomatisch geschickter Regent und Freund Kaiser Karls IV., der ihn für seine Dienste mit wertvollen Huldbeweisen an Besitz und Ehren auszeichnete, nahm Graf Wilhelm II. unter den Reichsfürsten eine führende Stellung ein. Leider fiel seine lange Regierung in eine Zeit, in der das deutsche Volk und mit ihm auch unsere Heimat von unendlichen Nöten, Bedrängnissen und Krankheiten heimgesucht wurde. Eine furchtbare Seuche hatten die Jahre 1348 — 1350 mit sich gebracht. Der schwarze Tod ging um, die Pest, seiner entsetzlichen Verheerungen wegen auch “das große Sterben“ genannt. In St. Goar starben täglich bis zu zehn Menschen. Wieviele in St. Goarshausen dahingingen, läßt sich nicht mehr feststellen, da die vorhandenen Kirchenbücher nicht bis dahin zurückreichen. (Siehe Kapitel ‘Leidenszeiten“!) Hand in Hand mit der Verzweifelung der Menschen ging eine grausame Verfolgung der Juden. Diese wurden der Brunnenvergiftung und des ritualen Kindermordes bezichtet. Das Losungswort war gegeben und die Folgen waren furchtbar. Vielleicht hätte man sie gänzlich ausgerottet, aber sie hatten mächtige Beschützer an den Kaisern und Landesfürsten. Diesen floß ja der sogenannte Judenzoll zu, jene Kopfsteuer. die jeder Hebräer seinem Herrn zu leisten hatte. Dafür genossen sie als “kaiserliche Kammerknechte“ den Schutz ihrer Gönner.
In St. Goar wohnten damals etwa 50 Juden, meist wohlhabende Händler, bei denen zu borgen die sonst so reichen Katzenelnbogener Grafen sich nicht scheuten, wenn sie gerade Kleingeld brauchten. Die Rückzahlung erfolgte in der Regel aus dem Rheinzoll. Ob St. Goarshausen damals Juden hatte, ist nicht verbürgt. Viel mögen es nicht gewesen sein. Denn zu verdienen war nicht viel in dem kleinen Nest.
Da Wilhelm II. kinderlos starb, ging die Nachfolge auf seinen jüngeren Bruder, Graf Eberhard V. über (1385-1403), der aus wesentlich anderem Holz geschnitzt war. Er war kein Diplomat wie sein Bruder, auch kein nüchterner Wirtschaftler wie sein Vater, sondern ein Raufbold, ein Haudegen, der sich mit Türken und Teufeln herumschlug und immer dabei war, wenn es galt, ein Spänlein auszufechten. Es war die Zeit, da das Sprichwort galt: “Reuten und Rauben ist keine Schand“. Aber wehe den ritterlichen Landstörzern, die sich erkühnten, in seinem Land zu “fouragieren“. Es ging ihnen wie dem Raubritter Engelbrecht von Langenbach, der einem Wallmenacher Bäuerlein vier Kühe weggeschnappt hatte und den der Graf höchst eigenhändig am Gaul nach Rheinfels schleppte. Mochten andere seiner fürstlichen Kollegen Waffen und goldene Geräte sammeln – Eberhard wußte besseres: er sammelte Schnapphähne. Eine ganze Sammlung davon hatte er ständig “auf Lager“ und kein größeres Vergnügen gab es für ihn, als diese Stegreifritter vor dem Frühstück im Burghof Dauerlauf machen zu lassen. Nicht weniger als 74 Urfehde-Urkunden sind aus jenen Jahren vorhanden. Die Zeiten waren für derlei Scherze wohl angetan. In Rhens hatten die Kurfürsten 1400 den versoffenen Kaiser Wenzel von Böhmen abgesetzt und an seiner Stelle den Wittelsbacher Ruprecht von der Pfalz zum deutschen König gewählt.
Während dessen zehnjähriger Regierung beschloß Eberhard sein tatenreiches Leben (1403) und fand seine letzte Ruhestätte bei seinen Vorgängern in der Klosterkirche zu Eberbach. Er hinterließ nur eine Tochter Anna, die den Grafen Johann III. von der jüngeren Katzenelnbogener (Darmstädter) Linie geehelicht hatte, in dessen Hand damit beide Katzenelnbogener Grafschaften wieder vereinigt wurden.
Dieser Graf Johann III. (1403 — 1443) ist von den Katzenelnbogener derjenige, der uns St. Goarshäusern gefühlsmäßig am nächsten steht, denn er war es, der uns die Burg Katz geschenkt hat, die er im Jahre 1393, also schon vor seinem Regierungsantritt, erbaut hatte. Er vollendete somit die Wehrhaftigkeit unseres Städtchens, das bis dahin nur die Ringmauer besaß und verlieh ihm damit zugleich die romantische Note, die es heute zu einem der schönsten rheinischen Städtebilder macht. (Siehe Kapitel “Burg Katz und ihre Geschichte“!)
Die vierzigjährige Regierungszeit Johann III. brachte dem Lande einen wohltuenden Frieden. Er erweiterte die Grafschaft Katzenelnbogen durch den Ankauf einer Anzahl von Dörfern, darunter Reitzenhain, Wallmenach, Gemmerich u. a., und galt im Range als der dritthöchste Graf im Reich, der es verstand, die ewig streitsüchtigen geistlichen Kurfürsten, Fürsten und Grafen am Rhein mit eiserner Hand zum Friedenhalten zu zwingen.
Vieles hatte sich inzwischen in der Welt geändert. Durch die Erfindung des Schießpulvers und der Feuergeschütze war in der Kriegsführung eine völlige Umwälzung eingetreten. Die wehrhaften Mauern und trutzigen Türme der Burgen verloren ihren Wert. Schild und Harnisch mußten dem Feuerrohr weichen. Das Rittertum mit seinen glänzenden Erscheinungen ging zu Ende. Eine neue, nüchterne Zeit zog herauf.
Schier als hätte der Graf Johann dies gefühlt und wollte der Welt zum letzten Mal ein glanzvolles Schauspiel rheinischen Rittertums vorführen, veranstaltete er Im Jahre 1403 in seiner Hauptstadt Darmstadt ein in ganz Deutschland gerühmtes großes ritterliches Kampfspiel, das acht Tage dauerte und zu dem sich außer einem festlichen Kreis reichgeschmückter Frauen eine Menge angesehener Fürsten, Grafen, Ritter und sonstiger Adelsträger gesellt hatte. Leider nahm das Turnier einen blutigen Ausgang, indem etliche hessische und fränkische Edelleute die Gelegenheit benutzten, allen Turnierregeln zuwider einen persönlichen Zwist auszutragen. Die Winkelmann‘sche Chronik bringt darüber den Reim.
Zu Darmstadt in den Schranken
Blieben 9 Hessen und 17 Franken.
Der Vorfall war ein Beweis, wie sehr das Rittertum bereits im Entarten begriffen war.
In kluger Erkenntnis der Neugestaltung der Dinge hatte Graf Johann im Jahre 1404 auf Rheinfels 2 große Geschütze gießen lassen, wobei man zur Feuerung Steinkohlen benutzte. Es verdiente dies eine besondere Erwähnung, da man bis dahin die Steinkohle am Mittelrhein noch nicht kannte und es das erste Mal war, daß man diesen neuen Heizstoff verwandte. – Graf Johann III. vollendete sein tatenreiches Leben am 28. Oktober 1444 und liegt im Kloster Eberbach begraben. Sein einziger Sohn und Nachfolger war der im Jahre 1402 geborene Graf Philipp, in der Geschichte Philipp der Ältere genannt, zum Unterschied zu seinem Sohn Philipp dem Jüngeren. Er war ein ritterlicher, reich begabter, gerechter Fürst, unter dessen segensreicher Regierung (1443 – 1479) das Haus Katzenelnbogen vor seinem Erlöschen noch seine höchste Blüte und sein größtes Ansehen erreichte. Hohe Adelsgeschlechter verschmähten es nicht, Waffendienste bei ihm zu nehmen, Noch nie hatten Rheinfels und Katz so zahlreiche Burgmannen mit klingenden Namen wie unter Graf Philipp. Schon in jungen Jahren (1431) hatte er unter Kaiser Sigismund gegen die räuberischen Hussiten gekämpft. Zwei Jahre später unternahm er mit einem Teil seiner Burgmannen eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, über die das Archiv zu Darmstadt eine gereimte Schilderung verwahrt. Ebenso war er dem Reiche ein tatkräftiger Streiter gegen die Türken. Nicht weniger umsichtig war er in geschäftlichen Dingen. Er machte es nicht wie andere Fürsten seiner Zeit, die, wenn sie Geld brauchten, ihre Untertanen mit Steuern und Abgaben bedrückten. Er war “neuzeitlicher“ eingestellt, Großangelegte Erwerbungen neuer, erträglicher Güter, im Verein mit persönlicher Sparsamkeit und einfacher Lebensweise – er aß z.B. nur aus hölzernen Schüsseln – machten ihn zum reichsten Fürsten am Rhein, zu dem aus ganz Deutschland “die Herren Kollegen“ hinpilgerten, wenn sie leere Taschen hatten. Die Gesamtsumme der Gelder, die er den Fürsten gepumpt, soll nicht weniger als 100.000 Gulden, nach heutigem Wert etwa 17 Millionen Mark und die Einkünfte daraus nach heutigem Wert etwa 4 Millionen Mark betragen haben. Philipp war ein ritterlicher Bankmann, der mit den reichen Häusern Fugger und Welser in Augsburg den Wettbewerb aufnehmen konnte.
Vielfach – und auch das ist bezeichnend für jene Zeit – bestanden die Einkünfte aus Sachlieferungen, wie die Abmachung beweist, die Philipp mit dem mit ihm befreundeten Abte von Eberbach getroffen hatte. Philipp hatte dem Kloster, das mit seinem Weinschiff, der sogenannten “Eberbacher Sau“ häufig Weinverfrachtungen nach Köln unternahm, Zollfreiheit bei St. Goar eingeräumt, dafür aber ausbedungen, daß die Klosterbrüder jährlich auf Burg Rheinfels abzuliefern hatten: 36 Ellen grauen Tuches, 3 Paar große Handschuhe, den Knechten 3 Paar Hosen desselben Tuches, 16 Paar Harnisch-Handschuhe, 6 Paar kleine Handschuhe und 3 Paar fahle Schuhe mit grauen Filzen. Daneben war das Kloster verpflichtet den Jägern des Grafen, wenn sie mit ihren Knechten, Hunden, Falken und Pferden auf dem Gebiet der Eberbacher Höfe jagten, freie Kost und Ätzung zu geben.
Für die Wohlfahrt seines Landes hatte Philipp stets eine freie Hand. So verdankt ihm die Stiftskirche zu St. Goar, die nach dem Brand von 1137 baufällig geworden war, ihren prächtigen Neubau.
Aber das Dichterwort von dem Neide der Götter, die dem Allzuglücklichen grollen, traf auch auf Philipp zu. So groß sein Glück draußen war, so wenig war es ihm in seiner Häuslichkeit beschieden. Man kann da fast schon von einer Schicksalstragödie sprechen. Von seiner unerträglichen und auch den Untergebenen gegenüber lieblosen ersten Gattin Anna von Württemberg mußte er sich scheiden lassen. Sein einziger Sohn aus dieser Ehe, Philipp der Jüngere, auf den er große Hoffnungen gesetzt hatte, wurde im Alter von 27 Jahren bei einem Kampfspiel zu Brügge in Flandern erstochen. Es verblieb nur seine Tochter Anna, die mit dem Landgrafen Heinrich III. von Hessen-Kassel vermählt war, der damit die Anwartschaft auf das reiche Erbe hatte, da ein männlicher Erbe fehlte. Da entschloß sich der alte Graf, dem der Gedanke, sein altberühmtes Geschlecht erlöschen zu sehen, mehr als schmerzlich war, auf Wunsch der “Landschaft“ mit 71 Jahren, sich nochmals zu vermählen und zwar mit Anna von Nassau-Dillenburg, der jugendlichen Witwe des Herzogs Otto von Braunschweig. Sofort begannen die Ränke und dunklen Umtriebe der hessischen Verwandten, die ihre Erbfolge gefährdet sahen. Die junge Frau mußte beseitigt werden. Mit Hilfe feiler Adelspersonen gelang es ihnen, den geldgierigen Rheinfelser Burgkaplan Johann von Bornich zu bestechen, der der Gräfin, die gewohnt war, nach der Messe einen vom Priester gesegneten Becher Wein zu trinken, heimlich Arsenik in den Becher mischte. Die Gräfin bemerkte zwar die Trübung des Weins, ließ sich aber durch die Ausrede, es sei wohl etwas Staub in den Wein geraten, beruhigen und trank davon. Das Gift wirkte sofort. Die Gräfin wurde schwer krank, erholte sich zwar nach und nach wieder, aber die Ehe blieb kinderlos.
Der verbrecherische Kaplan, der sofort nach der Tat die Flucht ergriffen hatte, wurde in Köln festgenommen und einem peinlichen Gericht unterworfen, dem verschiedene Weihbischöfe beiwohnten. Nach der Folterung legte er ein Geständnis ab, nannte die Namen der Personen, von denen er erkauft worden war, und gestand gleichzeitig eine Anzahl weiterer Giftmorde ein, die er begangen hatte und denen auch verschiedene geistliche Personen zum Opfer gefallen waren. Der verruchte Mordbube wurde zum Feuertod verurteilt und in der “Kesselkul“ zu Köln verbrannt. – Der einsam gewordene Graf starb am 27. Juli 1479 auf Burg Rheinfels im Alter von 77 Jahren und wurde im Kloser Eberbach bei seinen Vorfahren beigesetzt. Er war der letzte rheinische Ritter und der Letzte eines berühmten Geschlechtes, dessen Name die Jahrhunderte überdauert hat und nicht verklingen wird, so lange von Rheinfels und Burg Katz ein Stein verbleibt.
Aus der Katzenelnbogener Zeit stammt auch das Wappen, das die Stadt St. Goarshausen heute noch führt. Es besteht aus einem quer geteilten Schild, der im oberen Feld den stehenden halbsichtbaren Katzenelnbogener Leoparden und in dem unteren zweisparrigen Feld drei Lilien zeigt. Das gleiche Wappen wurde in alter Zeit von den Schöffen bei Beurkundungen als Siegel benutzt, mit der Umschrift: “Sigillum seabinorum in Husen“. Der aus dem 14. Jahrhundert stammende, schön geschnittene Stempel ist noch vorhanden und wird im Wiesbadener Staatsarchiv verwahrt.
Die Bannerfarben der Stadt waren rot – gelb – blau, wie es die beiden Stadtfähnlein zeigen, die im Rathaus stehen, aber offenbar aus neuerer Zeit stammen. Philipps Erbe und Nachfolger war sein Schwiegersohn Landgraf Heinrich III. von Hessen-Kassel, auf den die Niedergrafschaft Katzenelnbogen überging und der damit auch der neue Herrscher für St. Goarshausen wurde.

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Die hier vorgestellten Ansichten entsprechen weder denen der Urheber dieser Internetseite noch möglicherweise dem modernen Stand der Geschichtsforschung.

Wir verweisen auf das einleitende Kapitel zur Erläuterung.